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Vom "größten Dorf im Münsterland" zur jungen Stadt

Diese Seite skizziert Grevens Versuche der Stadtwerdung von der französischen Herrschaft Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Jahr 1950.

Greven 1802 bis 1821

Nach der Auflösung des münsterischen Hochstiftes 1802 kam der linksemsische Teil des Kirchspiels Greven zum neuen Fürstentum Rheina-Wolbeck des Herzogs von Looz-Corswarem, der rechtsemsische Teil mit dem Dorf wurde preußisch. Ab 1806 stand Greven unter französischer Herrschaft, ab 1810/11 wiederum an der Emslinie geteilt in zwei Verwaltungsteile. Damit endeten erste Überlegungen, Greven eventuell Stadtrecht einzuräumen, die 1803 im preußischen Erbfürstentum Münster angestellt und mit der Bedeutung des Dorfes Greven begründet worden waren.

Mit dem Abzug der französischen Truppen wurde Greven 1814 wieder preußisch. Im folgenden Jahr wurde das alte Kirchspiel Greven durch eine Verfügung wieder vereinigt, bestand jedoch nur noch bis 1821, als das neue Amt Greven eingerichtet wurde, in dem die Kirchspiele Greven und Gimbte mit den zugehörigen Bauerschaften zusammengefasst wurden. Damit war ein Verwaltungsgebiet eingerichtet worden, das mit wenigen Ausnahmen dem Gebiet der heutigen Stadt Greven gleicht.

1822 bis 1850

Ein auf dem Weg zur Stadtwerdung bemerkenswertes Ereignis datiert aus dem Jahr 1822, als der Grevener Johann Christoph Biederlack an den Vorbesprechungen zur Schaffung des Westfälischen Landtages in Berlin teilnahm. Er genoss großes Vertrauen in Westfalen und wurde als einer von 18 Vertrauensmännern der Provinz Westfalen bestimmt. Neben der schon angedeuteten Bedeutung des Dorfes dürfte seine Persönlichkeit den Ausschlag gegeben haben, dass Greven während dieser Gespräche zur Erhebung in den Rang einer Stadt vorgeschlagen wurde. Nach der Ständeordnung wäre Biederlack somit nicht Abgeordneter für den Stand der Landgemeinden geworden, wie es 1826 tatsächlich geschah, sondern Abgeordneter für den dritten Stand der Städte. Biederlack lehnte das Stadtrecht für das Dorf jedoch ab, weil er erhöhte Verwaltungskosten und eine Beeinträchtigung der Beziehungen des Dorfes zu den übrigen Gebieten des Kirchspiels befürchtete.

Die Bedeutung, die Greven damals hatte, überragte zahlreiche mit alten Stadtrechten privilegierte kleine Orte. Daher sollte jenen das Recht, Vertreter in den Landtag zu schicken, verweigert werden. Nur vier bedeutende nicht städtische Orte sollten an deren Stelle als landtagsfähige Orte benannt werden. Die Namen dieser Orte sind nicht überliefert, doch nach Quellenlage und Bedeutung kann als sicher gelten, dass Greven zu diesen gehören sollte. Nicht umsonst galt Greven als das größte Dorf im Münsterland. Die preußische Landgemeindeordnung von 1841, an die man sich in Greven nicht sofort hielt, brachte 1843/44 die Trennung des Dorfes als eigene Gemeinde vom Kirchspiel, so dass der Amtsverband nun aus drei Gemeinden bestand: Gimbte, Kirchspiel und Dorf Greven. Erst 1850 wurde auf Wunsch der beiden Gemeinden Greven-Dorf und Greven-Kirchspiel ihre Wiedervereinigung beantragt und von der Regierung in Münster genehmigt.

1855 bis 1896

Der Beginn der Industrialisierung in Greven mit der Gründung der Grevener Baumwoll-Spinnerei 1855 und dem Bau der Eisenbahnlinie Münster-Rheine 1856 veränderte die Struktur des Dorfes sehr rasch. Bis 1888 waren vier Spinnereien in Betrieb, eine fünfte war 1887 schon wieder geschlossen worden. Die wirtschaftliche Entwicklung verlief auch in den folgenden Jahren rasant, doch schon 1888 führte die unterschiedliche Entwicklung von Dorf und Bauerschaften zu einer Eingabe von 39 Bauern an den Landrat. Darin heißt es:

"Die ergebenst unterzeichneten Eingesessenen der Landgemeinde Greven bitten Euer Hochwohlgeboren auf Grund der NN. 6 und 7 der Landgemeinde-Ordnung für die Provinz Westfalen vom 19. März 1856 die einzelnen Bauerschaften von dem Orte Greven zu trennen und, nachdem etwa der Ort Greven mit einem entsprechenden Umkreise zu einer besonderen Gemeinde ausgelegt und etwa gleich Telgte Städte-Rechte erhalten, von dem verbleibenden Theile der jetzigen Gemeinde Greven zwei Gemeinden bilden zu lassen und zwar rechts und links der Ems. Sowohl der Ort Greven, wie die alsdann neuen beiden Gemeinden werden sämmtlich nach der Trennung so leistungsfähig sein, daß sie gut eine eigene Gemeindeverwaltung zu führen im Stande sind."

Als Begründung wurden u.a. die Verstädterung des Dorfes und die Erhöhung der Ausgaben für die Armenkasse angegeben, in die die Bauern über die Gemeinde zwar einzahlen müssten, von der sie jedoch nicht profitieren würden. Auch wurden der bevorzugte Bau einer Emsbrücke im Sinne der Fabrikanten und die Vernachlässigung des Wegebaus in den Bauerschaften angeführt. Den Schlusspunkt langer Verhandlungen bildete schließlich die Dreiteilung der Gemeinde Greven in die selbständigen Gemeinden Greven-Dorf, Greven rechts der Ems und Greven links der Ems durch die Königliche Kabinettsorder vom 14. April 1894. Aus der 1888 vorgeschlagenen Stadtwerdung des Dorfes wurde jedoch nichts. Ein Antrag des Amtes Greven von 1896 auf Einführung der modifizierten Städteordnung in der Gemeinde Greven-Dorf wurde wiederum u.a. mit der industriellen Entwicklung und der Bevölkerungszunahme begründet. Er verlief jedoch offenbar im Sande, nachdem der Kreisausschuss des Landkreises Münster die Entscheidung von der Klärung nicht näher bekannter vermögenswirtschaftlicher Auseinandersetzungen zwischen den drei Grevener Gemeinden abhängig gemacht hatte.

1929 bis 1938

Schließlich wurde 1929 von Amtsbürgermeister Hueske vorgeschlagen, alle vier Gemeinden im Amt, also Greven-Dorf, Greven rechts und links der Ems sowie Gimbte zusammenzuschließen. Der Landrat des Landkreises Münster hielt dieses Ansinnen nur im Fall breiter Zustimmung durch die Bevölkerung für unterstützenswert. Diese scheint nicht vorgelegen zu haben. Jedenfalls blieb die Verwaltungsstruktur im Amt unverändert, auch die als Alternative vorgesehene Erweiterung der Gemeinde Greven-Dorf kam nicht zustande. Von der Stadtwerdung war in diesem Zusammenhang nicht mehr die Rede. Davon sprach erst der nationalsozialistische Bürgermeister Coppenrath im Mai 1934 wieder. Die Gemeindeältesten stimmten dieser Idee jedoch nur unter der Bedingung zu, dass die Gemeinde Greven-Dorf auch als Stadt im Amt Greven bleibe. Doch auch dieser Versuch blieb folgenlos. Wie sehr sich manche Grevener inzwischen als Städter fühlten, zeigt ein Leserbrief von 1936, in dem Stadtrecht für Greven gefordert wurde. Im folgenden Jahr wurde die Stadtwerdung wiederum aufgegriffen, doch wegen mangelnder Unterstützung durch die Bevölkerung wieder fallen gelassen. Offenbar zeigte auch die NSDAP nicht die nötige Unterstützung für diesen Plan.

In Emsdetten wurde hingegen 1938 die Verleihung der Stadtrechte erreicht und mit großem Volksfest gefeiert. Während des Zweiten Weltkrieges wurde durch den Reichsinnenminister angeordnet, dass Umgemeindungen zu unterbleiben hätten, diese seien in der Kriegssituation "bedeutungslos". Grundsätzlich ähnlich ablehnend dürften Fragen der Stadtrechte beurteilt worden sein. Aus Greven sind aber auch keine weiteren Versuche bekannt geworden.

Greven unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg

Als die britische Militärregierung nach Kriegsende 1945 begann, demokratische Gremien wieder ins Leben zu rufen, die provisorisch bis zu ersten Wahlen amtieren sollten, beteiligte sie alle demokratischen Parteien. Sie stellte jedoch für Gemeinden unterschiedlich besetzte Räte auf, je nachdem, ob es sich um Landgemeinden oder Städte handelte. Kurios ist die Vorgehensweise des britischen Kreis Resident Officer Major Moon, der mit Vertretern der politischen Parteien des Landkreises Münster aushandelte, welche Gemeinden als Städte anzusehen seien. Er ging von der Bevölkerungszahl aus und erklärte u.a. die Gemeinde Greven-Dorf kurzerhand zur Stadt. Rechtsverbindlichen Charakter hatte dies zwar nicht. Es berechtigte jedoch die KPD und FDP zur Bestimmung von einem bzw. zwei Ratsmitgliedern. Auch sollte eine Frau in einer "städtischen" Ratsvertretung mitwirken. Praktische Auswirkungen hatte dies in Greven aber nicht. Die FDP gab es damals noch nicht und die vorab ernannten Räte, die mehrheitlich der CDU angehörten und ausnahmslos Männer waren, wurden auf Antrag bei den Briten bestätigt. So entsprach die tatsächliche Sitzverteilung eher derjenigen, die den Briten für Landgemeinden vorschwebte.

Greven wird Stadt

Der nächste ernsthafte Versuch zur Stadtwerdung wurde von dem erst ein halbes Jahr zuvor vom Amt Greven ernannten Amtsdirektor Dr. Drost eingeleitet. In einer Denkschrift von Ende August 1949 hielt er es für "erwägenswert, ob die verwaltungsmässig übliche Bezeichnung "Landgemeinde Greven" oder "Greven-Dorf" der weiteren Entwicklung der Gemeinde noch förderlich ist. Die Bezeichnung "Stadt" gibt nach der Deutschen Gemeindeordnung vom 30.1.1935 bzw. 1.4.1946 zwar keine bemerkenswerte rechtliche Besserstellung gegenüber einer Landgemeinde. Hervorgehoben muss aber werden, dass bis zur verfassungsrechtlichen Reform im Jahre 1935 das Land Preussen stets strenge zwischen Städten und Landgemeinden unterschieden hat und die Städte sich gewisser Vorrechte erfreuten. Städte waren z.B. auf den alten Provinziallandtagen unmittelbar vertreten. Zu bedenken ist, ob Greven als Landgemeinde nicht eines Tages in nicht abzusehender künftigen Entwicklung des gemeindlichen Verfassungsrechtes benachteiligt wird. Eine stärkere Steuerbelastung der Gemeinde bzw. der Einwohner ist ausgeschlossen, da sich durch die Bezeichnung "Stadt" rechtlich nichts ändert. Die Verwaltung hält es für ihre Pflicht, auf diese Zusammenhänge hinzuweisen. Die Landgemeinde Greven besitzt städtischen Charakter, sodass es möglich wäre, bei der Landesregierung Nordrhein-Westfalen die Verleihung der Bezeichnung "Stadt" zu beantragen."

An der Amtszugehörigkeit einer künftig mit Stadtrechten ausgezeichneten Gemeinde wollte auch Dr. Drost nicht rütteln. Er empfahl der Gemeindevertretung den Antrag auf Verleihung der Bezeichnung "Stadt" bei der Landesregierung NRW zu stellen. Damit war ein Stein ins Rollen gebracht. Am 15. September 1949 beschloss die Gemeindevertretung Greven-Dorf einstimmig, diesen Antrag zu stellen, nachdem auch eine Umfrage unter vielen Grevener Persönlichkeiten breite Zustimmung zu dieser Idee hervorgerufen hatte. Von der Antragstellung am 8. Oktober bis zur Zustimmung durch den Innenminister des Landes NRW, Dr. Menzel, vergingen nur wenige Wochen. Die Antragsbegründung war offenbar so stichhaltig, dass nach dem obligatorischen Besuch eines Vertreters des Innenministeriums am 10. November genügend Erkenntnisse vorlagen, um die Stadtrechte zu bekommen. Eine Woche später lag die Zustimmung des Kreisausschusses des Landkreises Münster vor. Von dort brauchte der Antrag weniger als eine Woche, um über den Regierungspräsidenten in Münster zur Landesregierung nach Düsseldorf geleitet und dort am 22. November 1949 vom Innenminister unterschrieben zu werden.

Entgegen dem Wunsch, die Feier der Stadtwerdung erst nach Auflösung des DP-Lagers im Grevener Nordviertel zu begehen, bestand der Regierungspräsident auf einer raschen Abwicklung. So wurde die feierliche Überreichung der Urkunde auf den 22. Januar 1950 festgesetzt. An diesem Tag kam die 1803 mit ersten Überlegungen zur Stadtwerdung begonnene Entwicklung zu einem ersten Abschluß. Denn die Erweiterung des Stadtgebietes durch Zusammenschluß mit den Gemeinden Greven rechts der Ems und links der Ems 1952 sowie die Auflösung des Amtes Greven 1954 gehört zu den Nachwirkungen der Stadtwerdung.

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